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Vergütung oder Freizeitausgleich von Überstunden erfolgreich durchsetzen – auch bei Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit

Es ist oft unklar, wie der Arbeitnehmer den Beweis führen muss, wenn er die Vergütung von Überstunden geltend machen möchte. In dem neuen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.06.2019 ist nun sehr genau beschrieben, wie die Darlegungs- und Beweislast diesbezüglich geregelt ist und was der Arbeitnehmer tun muss, um den Beweis erfolgreich zu führen.

Grundsätzlich genügt der Arbeitnehmer der ersten Stufe seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisungen des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat.

Legt der Arbeitnehmer – wie im hiesigen Verfahren – vom Arbeitgeber abgezeichnete Arbeitszeitnachweise vor und trägt diese zusammen mit den sich daraus ergebenden Saldo vor, genügt der Arbeitnehmer damit der ersten Stufe der Darlegungs- und Beweislast.

Der Arbeitgeber hat mit seiner damaligen Unterschrift die Zeiterfassungen streitlos gestellt. Nun obliegt es dem Arbeitgeber, im Rahmen der abgestuften Darlegungslast substantiiert auf den Vortrag des Arbeitnehmers zu erwidern. Die Erwiderung sollte beinhalten, aus welchen Gründen und in welchem Umfang die von ihm abgezeichneten Arbeitsstunden nicht geleistet wurden oder sich der behauptete Saldo durch konkret darzulegenden Freizeitausgleich vermindert hat.

Erwidert der Arbeitgeber jedoch nicht substantiiert, ist der Vortrag des Arbeitsnehmers als erwiesen anzusehen nach § 138 Abs. 3 ZPO.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.06.2019, Az. 5 AZR 452/18

Da aber Arbeitgeber häufig noch immer keine Stundenaufzeichnungen führen oder diese auch nicht immer korrekt sein müssen, sei jedem Arbeitnehmer empfohlen, parallel eigene Stundenaufzeichnungen möglichst genau zu führen. Eine kurze Tätigkeitsbeschreibung ist hier zu empfehlen. Kann der Arbeitgeber dem mangels eigener Nachweise nichts entgegenhalten, ist der Beweis auch mit den eigenen Aufzeichnungen erfolgreich geführt.

Achtung: Mit der Geltendmachung nicht zu lange warten
Häufig finden sich in Arbeits- oder Tarifverträgen Ausschlussfristen, wegen denen Ansprüche bereits nach wenigen Monaten verfallen und dann nicht mehr durchsetzbar sind. Es sei also davor gewarnt, angesammelte Überstunden zu lange kommentarlos zu „bunkern“.

Ein hilfreicher Ausweg im bestehenden Arbeitsverhältnis könnte in diesem Fall zum Beispiel sein, dass der Arbeitgeber einen ausdrücklichen Verzicht auf die Ausschlussfrist bezüglich noch offener Überstunden erklärt.

Gerade bei Abbaumaßnahmen, Unternehmensübergängen, der Einführung neuer elektronischer Zeiterfassungssysteme oder Überprüfung entsprechender Aufsichtsbehörden zeigt die Erfahrung, dass es häufig zur flächendeckenden Kappung und damit unvergüteten Streichung von offenen Überstunden kommt. Auch vor diesem Hintergrund sollten Arbeitnehmer ihre Stunden parallel aufzeichnen und nicht zu viele Überstunden anhäufen.

Was können die Betriebsräte hier für ihre Kollegen tun?
Betriebsräte sollten unbedingt von ihrem Recht gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 BetrVG i. V. m. § 80 Abs. 2 BetrVG umfassend Gebrauch machen und sich regelmäßig die Zeiterfassungen aller Kollegen – auch derjenigen mit Vertrauensarbeitszeit – von dem Arbeitgeber vorlegen lassen. Die Ausrede, es gäbe keine Zeiterfassung, gilt nicht! Auch bei Vertrauensarbeitszeit muss der Arbeitgeber Zeitaufzeichnungen liefern. Wie er diese beschafft, ist sein Problem. Dies gilt bereits aufgrund der bisherigen Gesetzeslage und zwar unabhängig davon, wie man das neue Urteil des EuGH zur Arbeitszeiterfassung in den Kontext des deutschen Rechtssystems einordnet.

Betriebsräte sollten ihre Kollegen entsprechend der vorgenannten Aspekte beraten und sie vor allem davor warnen, zu viele offene Überstunden über einen zu langen Zeitraum anzuhäufen.

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